Heute zum
weltMStag erzähle ich euch mal meine MS Geschichte, so kurz es geht. MS ist die Abkürzung für
Multiple Sklerose, eine chronische Erkrankung des Nervensystems. Also nicht wie manche meinen eine Muskelerkrankung.
Vor 22 Jahren, meine Söhne waren gerade 8 und 1 Jahr alt, kam ich ins Krankenhaus mit verschiedenen Symptomen - Lähmungen, Schwindel ... - Verdacht auf Gehirnhautentzündung. Mir ging es eine Weile sehr schlecht, musste sogar einen Blasenkatheder bekommen, aber nach einigen Wochen verschwanden alle Symptome von alleine. Eine Diagnose wurde nicht gestellt. Eine
Lumbalpunktion wurde gemacht, konnte aber nicht verwertet werden.
In den Jahren danach, hatte ich immer wieder verschiedene "Krankheiten". Einmal hatte ich eine Sehnerventzündung. Bei vielen
MSlern überhaupt das erste Symptom. 2 x hatte ich
Drehschwindel, für mich das schlimmste. Damit konnte ich nicht stehen, musste mich erbrechen, wenn ich versuchte ein paar Schritte zu gehen. Du kannst dich nur ins Bett legen, Augen zu und warten bis der Schwindel vorbei geht. Das dauert Wochen.
Eines Morgens schaute ich in den Spiegel, Lisa heute 15 war gerade ein paar Monate alt, ich dachte ich hätte einen Schlaganfall gehabt. Das ganze Gesicht schief und ein Auge konnte ich nicht schließen. Diagnose Gesichtslähmung.
Nach diesem Schub ging es mir nie mehr ganz gut. Meine
Erschöpfbarkeit, man nennt das
Fatigue, nahm immer mehr zu. Ich habe wirklich nach "Schaufensterkrankheit"
gegoogelt und überlegt, ob ich
Venostax kaufen soll, weil meine Beine nicht mehr wollten. In der Mutter-Kind-Kur wurde mir klargemacht, das sei alle nur psychisch - sprich ich bilde mir das nur ein.
Ziemlich verzweifelt war ich manchmal in meinem Job. Als Leitung eines Kinderhortes für
Schulkinder habe ich erst um 10 Uhr angefangen, war aber um 12 Uhr schon wieder
unerklärlicherweise unendlich müde. Ich hatte so schlimme
Wortfindungsstörungen, dass ich mir vor Telefongesprächen und Elterngesprächen
Spikzettel machte. Und immer wieder hatte ich in Stresssituationen, wie ich heute weiß, Schübe.
Als ich mit
Vroni, meinem jüngsten Kind schwanger war, musste ich die gesamte Schwangerschaft liegen. Und ich war so froh, mich endlich mal ausruhen zu können. Ein Jahr nach der Geburt fing ich wieder mit arbeiten an. Nach nur einem Monat, bekam ich wieder einen Schub. Los ging es mit ganz üblen Gefühlsstörungen wie Kribbeln und ein Gefühl von Hitze oder Kälte. Manchmal zuckten meine Beine und das Knie durfte man nicht mal berühren, weil sofort die Reflexe ausgelöst wurden. Ich ging zu meinem Hausarzt, der all die Vorgeschichten nicht wusste und er sagte: "Sieht aus wie MS". Endlich!!! Mein Cousin hat MS und ich hatte mich etwas damit beschäftigt. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.
Mir ging es innerhalb weniger Tage sehr viel schlechter, teilweise konnte ich überhaupt nicht mehr laufen, sah nur noch doppelt, auch die Hände funktionierten nicht mehr richtig.
Zur Diagnose kam ich in ein MS Fachklinik, die Marianne-
Stauss-Klinik am Starnberger See.
MS ist auch eine Ausschlussdiagnose, da es keine Untersuchung gibt, die eindeutig diese Krankheit belegt. Aber auch
Borreliose macht ähnliche Symptome. Sehr hilfreich ist das
MRT, das es ja noch nicht so lange gibt. Damit sieht man die
Läsionen im Gehirn oder Rückenmark und mit Kontrastmittel auch ob sie aktiv oder alt sind. Damals hatte ich gerade einen großen aktiven Herd in der Halswirbelsäule.
Wenn andere Krankheiten ausgeschlossen sind, kann dann nach den Sogenannten
MCDonaldkritereien ( die haben leider nichts mit dem goldenen M zu tun) die Diagnose gestellt werden. Ich hatte ja schon so viele Schübe im Vorfeld und war längst in der Phase angelangt, wo ich auch bleibende Schäden hatte.
Bei der MS-Diagnostik wurde bei mir auch ein Nierentumor gefunden, der kurz danach operiert wurde. Ein halbes Jahr nach der Diagnose, habe ich wieder begonnen zu arbeiten. Nur ein paar Tage, dann bekam ich einen
Rehabescheid. Die Krankenkasse hatte das veranlasst, ohne mich auch nur zu fragen. Also bin ich für ein paar Wochen zur
Reha und wurde arbeitsunfähig entlassen. In dieser Zeit spritze ich auch
Interferon als Basistherapie und hatte ziemlich Nebenwirkungen.
Interferon machte bei mir schwere Grippesymptome, die auch mach über einem Jahr noch nicht leichter wurden. Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Gliederschmerzen - Also keine Lebensqualität mehr. Gehen konnte ich immer noch nicht weit, ständig schwankte ich (was manchmal ziemlich peinlich sein kann - sieht aus wie betrunken), oft fiel mir etwas aus der Hand.
Trotzdem wollte ich keinen Rentenantrag stellen. Ich war der
Hauptverdiener der Familie und ich liebte meine Arbeit. Es war ein hartes Jahr mit Ämtern und Behörden, Arbeitgeber (Kirche!) der mich nicht mehr wollte, verschiedenen
Vertrauensärzten, dazwischen immer wieder Schüben (zu viel Stress) einen
Wiedereingliederungsversuch mit schweren Schub nach 2 Wochen.
Irgendwann hatte ich es eingesehen und Rente beantragt und auch sofort bekommen.
Irgendwann habe ich dann mal etwas genäht. Hatte jetzt auch Zeit. Nach einem halben Jahr wieder. Fiel mir auch noch sehr schwer. Als ich mit allen Therapien aufhörte und zur Ruhe kam, ging es mir auch gesundheitlich immer besser. Und das Nähen ist für mich Entspannung und Ergotherapie gleichzeitig.
So eine verspätete Diagnose, wie bei mir, ist übrigens kein Einzelfall. Es hätte mir jahrelange Depressionen erspart. Für mich war die Diagnose eine Erleichterung. Also lasst euch nicht so schnell von Ärzten abspeisen, das habe ich gelernt.
Ich weiß zwar nicht, was mir meine Krankheit in Zukunft noch bringt, aber sie hat mir auch mehr Ruhe und Zufriedenheit in mein Leben gebracht. An MS stirbt man nicht und man kann trotzdem ein erfülltes Leben leben. Ich habe auch Glück, dass ich eine Familie habe, die immer zu mir gehalten hat, und das meine Rente zum Leben reicht, auch wenn wir nicht mehr so viel haben, wie früher.
Leider gibt es auch viele junge
MSler, vor allem Frauen, die von ihren Partner nach der Diagnose verlassen werden. Oft besteht noch kein Rentenanspruch und sie müssen von Grundsicherung leben.
Leider gibt es auch noch immer kein Medikament gegen diese Krankheit. Es gibt Basistherapien, die die Krankheit abmildern sollen, aber oft mit vielen Nebenwirkungen und es gibt hochdosiertes
Kortison im aktiven Schub.
Und zum Abschluss will ich euch noch von einem anderen
MSler aus München erzählen. Eines Tages ging er aus dem Haus, fiel auf dem Boden, weil er Schwindel und Schwäche in den Gliedern hatte und konnte nicht mehr aufstehen. Er hatte auch
Sprachstörungen. Viele Menschen gingen an ihm vorbei, viele beschimpften ihn und keiner half ihm. Nicht jeder der am Boden liegt und nicht mehr ordentlich sprechen kann, ist betrunken.
Gerne könnt ihr mir auch noch Fragen stellen. Heute ist MS Tag und er soll auch dazu dienen, etwas über diese Erkrankung aufzuklären.